Tagesbericht vom 25.05.2002
Früh stehen wir auf. Montieren die hinteren beiden Kisten auf dem Hotelparkplatz auf das Dach von Sir James (in Mumbai haben wir sie ins Auto gepackt). An Zuschauern und Fragern fehlt es nicht: „What's your mission? Natürlich sind wir in geheimer Mission und fahren nordwärts ins Krisengebiet, dort wo man die Minen fliegen sehen kann und demnächst im Theater „Die Atompilze“ vorgeführt werden sollen!
Indore heisst unser nächstes Ziel. Es liegt im Norden. Und da in Indien die Welt auf dem Kopf steht, wird es natürlich nicht kälter im Norden sondern wärmer. Dies ist völlig verständlich, denn das Klima kann nicht ganz so eigenwillig sein und an den überhitzten Gemüter vorbeiwehen ohne deren Temperatur anzunehmen. Das Aussenthermometer zeigt knapp 44° an, das Innenthermometer steht auf Durst und Chris Barber spielt – wie könnte es anders sein - ‚Ice Cream'. Die anfänglich noch mit Acker bebaute Gegend wird zusehends trockener, steiniger und sandiger: die Wüste hat uns wieder. Bald ist der Pass überwunden. Der weiche Teer macht das Lenken auch nicht einfacher. Es wird wieder grüner. Wir überqueren auf einer mehrere hundert Meter langen Brücke den Narmalafluss.
Jetzt sind wir auf dem Pass, der so steil ist, dass den lieben Tata-Lastern auf der Nationalstrasse No 1 (Mumbai – Delhi) die Puste ausbleibt. Mit Traktoren werden sie ins Tandem genommen. Für bergabwärtsfahrende Lastwagen müssen sich die Ortangehörigen noch etwas einfallen lassen. Bei einem Lastwagen jedenfalls reicht die Bremse nicht, um den Schwung zu dämpfen: wie ein Käfer liegt er jetzt auf dem Rücken und weiss nicht wie sich umdrehen! ‚On the Sunny Side of the Street' singt dazu Ella Fitzgerald.
Ein Loch ist ein von Etwas umgebenes Nichts. Momentan fahren wir auf einer Serie von Etwas. Dazwischen ist natürlich Nichts. Da muss ich Sony doch einmal ein Lob aussprechen, die DVD-Spieler in unseren Laptops merken von all dem nichts und spielen und spielen, bis es nichts mehr zu spielen gibt.
Mit den Abba fahren wir in Indore ein. Liseli ist so beschwingt, dass sie immer im Kreis herum fährt. Ich weiss nicht, das Hotel liegt doch ganz klar im Osten von Indore (in dieser Kleinstadt mit nur 1,3 Millionen Einwohnern sollte die Orientierung doch einfach sein, schliesslich gibt es auch keine Strassenbezeichnungen – nicht einmal auf hindisch) aber Liseli zieht es vom Osten in den Süden, dann in den Westen und wieder in den Norden, so dass der Kreis geschlossen ist. Nach zwei Stunden ist es ihr endlich zu dumm und sie beschliesst einen Menschen an der Strasse anzuquatschen. Er hat keine andere Chance als, gegen das von ihm verlangte Entgelt, vor unserm Sir James zum Taj Residency Hotel zu fahren. Nach drei Stunden Irrfahrt und acht Stunden Fahrt à l'Indienne gibt es endlich ein Bier!
Woher wir wissen, dass es in Indore ein Taj-Hotel zu einem günstigen Preis gibt? Schlau wie wir sind, haben wir uns den Hotelführer 2002 von Indien in Mumbai erstanden und sämtliche guten Hotels digital erfasst, so dass wir immer wissen, ob es im Umkreis von ein paar Kilometer ein Hotel hat. In Indien gibt es – wie in Westafrika – keine Campingplätze, das haben uns verschiedenen Leute, die wir darauf angesprochen haben, bestätigt. Natürlich könnten wir irgendwo wild campen. Aber dann wären wir in nullkommaplötzlich von tausend neugierigen Menschen umringt. Dazu kommt noch die Hitze. Im gekühlten James, bei laufendem Motor, ist die Wärme kein Problem. In der Nacht dagegen fällt die Temperatur nur etwa auf 36° C, und das ist dann schon ein bisschen warm. Dies ist der Grund, weshalb wir von Hotel zu Hotel fahren.