Tagesbericht vom 11.06.2004
Dieser „Campingplatz“ erscheint uns symptomatisch für den Eindruck, den wir von der Ukraine haben. Bei den Bauwerken weiss man nie, ob sie erst im Bau oder bereits wieder verlassen sind. So ist die Zufahrtsstrasse zum Camping frisch geteert, und wie bereits erwähnt, die Toiletten sind ganz neu. Es gibt Blumenbeete mit Rosen bepflanzt, aber gepflegt wurden sie seit langem nicht mehr. Zwei Gebäude auf dem Areal sind in einem ziemlich desolaten Zustand. Ein junger Mann scheint an den Häusern herumzubasteln. Der Erfolg ist kaum sichtbar. Zwei andere Männer stehen herum. Die Männer sind sehr nett, aber überhaupt nicht fröhlich. Uns stört das alles nicht weiter. Bald werden wir die Ukraine wieder verlassen und bis jetzt haben wir nur positive Erfahrungen mit dem Land und den Leuten gemacht.
Gestern Abend noch hat uns der Besitzer den Wasseranschluss gezeigt, der für die Bauarbeiten benutzt wird. Diese Gelegenheit lassen wir uns nicht entgehen, und füllen Sir James wieder mit Wasser auf. Die Prozedur dauert länger, tröpfelt das Wasser doch mit nur wenig Druck langsam durch das Filtersystem in unseren Frischwassertank. Einer der herumstehenden jungen Männer kommt auf einen Schwatz. Er kann kein Englisch und wir kein Russisch. Was soll's. Er interessiert sich sowieso mehr für das Auto als für uns. Während er Sir James näher betrachtet, konsultiere ich das deutsch – russische Wörterbuch. Jetzt weiss ich, was Ölwechseln und Schmieren heisst. Das ist nämlich der Geburtstagswunsch von Sir James. Der Ukrainer versteht unser Anliegen. Kurz entschlossen fährt er mit uns zu einer nahen Garage. Der Garagenbesitzer nimmt sich sofort Zeit. Er selbst ist ebenfalls stolzer Besitzer eines Toyota Landcruiser. Ob wir genug Grivni (das ist die Landeswährung) für die Bezahlung des Öls hätten, fragt er. Haben wir nicht. Aber er ist sofort einverstanden, dass wir ihn mit US Dollars bezahlen. Um die Mittagszeit ist Sir James frisch geölt und geschmiert. Einen neuen, von uns mitgebrachten Ölfilter hat er auch erhalten. Wir fahren unseren Begleiter zurück zum Camping. Er will aussteigen und noch bevor wir ihm das zwischen mir und Bobo besprochene Trinkgeld geben können fragt er: „Do you give me money?“ Bobo gibt ihm das Geld. Er strahlt – und weg ist er. Woher er plötzlich die paar Brocken Englisch nimmt, ist uns ein Rätsel.
Wir entschliessen uns, nicht mehr weiter nach Kerch zu fahren, sondern zurück und dann nach Norden via Simferopol uns langsam Russland zu nähern.
Simferopol hat etwa 327'000 Einwohner und ist die Hauptstadt der autonomen Republik Krim. Ausser zwei, drei Kirchen scheint es in dieser Stadt nichts Sehenswertes zu geben. Wir machen daher mit Sir James nur eine kurze Fahrt ins Stadtzentrum. In einem Internetkaffee versenden wir unseren neuesten Bericht. (Wir haben gestern noch bis spät in die Nacht alles vorbereitet.) Diesmal funktioniert nur yahoo, dafür swissonline nicht. Beim nahen Bankomaten funktioniert der Bezug von Grivnis auf die Visakarte ohne Probleme. Das erlaubt uns, im Supermarkt einzukaufen und Sir James wieder mit 100 Litern zu betanken.
Etwa 100 Kilometer ausserhalb von Simferopol, an Position Nord 45° 49' 0.4“ und Ost 34° 28' 43.9“ auf 9 Metern über Meer, findet Sir James von Sträuchern gut geschützt, abseits von der Hauptstrasse, seinen heutigen Ruheplatz. (So, heute gibt es für mich keine Strafaufgabe.)
Etwas möchte ich noch beifügen: Ab etwa 17:00 Uhr jeweils werde ich innerlich nervös. Ich frage mich, wo finden wir ein ruhiges, geschütztes Plätzchen zum Schlafen. Sobald wir aber stehen, und vor allem nach dem Aperitif und noch viel mehr, nach dem guten Essen, das Bobo jeweils zubereitet, ist alle Nervosität verflogen und ich kann wie ein Murmeltierchen schlafen. Ich hoffe, so auch heute. Gute Nacht.