Reisebericht

Tagesbericht vom 20.06.2004

In einer heissen Gegend sind wir. Ingusthetien, Dagestan und Tschetschenien sind klingende Namen, die bleihaltige Luft erahnen lassen. Wir haben das Gefühl mehrmals im Tag das Lager zu wechseln, respektive führt uns unser Weg von einem Lager ins andere. Einmal mehr christlich, das andere mal mehr islamisch. An den Grenzen vom einen Lager ins andere stehen dann schwer bewaffnete Militärkontrollen, die uns in ihr Tagesjournal eintragen. Ein Prozedere, das jeweils zirka 20 Minuten dauert. Die Militärs interessieren sich auch für die Kisten auf dem Auto, denn die Golfkiste könnte Gewehre enthalten und die beiden kleineren Pistolen oder Munition. Liselis Zettel mit der Inhaltsbeschreibung erspart ihnen den mühsamen Weg nach oben und mir auch.
Gleich nach dem Morgenessen ist Geländefahrt angesagt. Wir befinden uns auf der Seite der Abtrünnigen, denn so armselig wie hier wohnen die Menschen nicht einmal im tiefsten Afrika. Die Zweitklassestrasse, welche durch das Dorf führt existiert schlichtweg nicht mehr. Anstelle der beiden Radspuren gibt es zwei tiefe, vom Regen ausgewaschene Täler. Wir fahren daran vorbei, weil wir trotz russischer Generalstabskarte nicht glauben, das dies die Hauptstrasse ist. Zwei nette Russen (oder eventuell Nichtrussen) führen uns zurück und zeigen uns den Weg durch diese beiden Tobel, als Radspuren. Zum Dank kriegen sie ein Sackmesser aus der Schweiz. Wir sind auf der Passhöhe und unsere Führer zeigen uns in der Ferne unsere Reiseetappe Mozdok. Vor Mozdok scheinen wir wieder auf die ‚richtige' Seite zu kommen, die Strassenverhältnisse werden wieder besser und dem schwer bewaffneten Grenzposten ist es sichtbar langweilig.

Der Stress nimmt jedoch nicht ab. Alle paar Kilometer winkt ein neuer Posten uns freundlich mit dem Stöckchen oder der Kelle in der Hand zu: ‚bitte anhalten'. Der Zettel mit der Reiseroute und die Frage, ob wir auf dem richtigen Weg nach ... sind', bewährt sich. Auch die Polizisten und das Militär wollen dem Reisenden doch nur helfen!
Nach vier Stunden Fahrt haben wir bereits 140 Kilometer zurückgelegt. Haben während der Fahrt oder besser gesagt zwischen den Stops unsere Mägen mit Salamibroten gefüllt und sind jetzt im Staate ‚Stavropol', wo die Luft wieder leichter ist. Hoffentlich gelingt es uns in der nächsten Stadt Wein einzukaufen, denn sonst gibt es einen trostlosen Abend nur mit Vodka.

Langsam muss ich die Ausgabenliste nachführen und dann stimmt der Bargeldbestand nicht mit der Buchführung überein. Zuerst haben wir am Strassenrand 1.1 kg Tomaten (6 Stück) gekauft. Das war sehr teuer: 50 Rubel oder 2.50 CHF. Dann finden wir in Zelenokumsk in einem Wohnwagen, der als Brotverkaufstand dient ein feines zopfartiges Gebäck zu 6 Rubel. Im Supermarkt der gleichen Stadt gibt es noch zwei Flaschen Rotwein zu 103 Rubel (wahnsinnig teuer) und schliesslich bekommt Sir James wieder einmal 100 Liter Diesel zu 950 Rubel, was sage und schreibe 47.5 Rappen pro Liter ausmacht. Am ganz billigen Dieseloel zu 39.5 Rappen pro Liter in einem der Kleinstaaten der Kaukasusregion sind wir leider vorbeigefahren.

So und jetzt sind wir in der Wolgamündung und suchen in dem kaum bewohnten Gebiet einen Schlafplatz. Den finden wir in einer steppenähnlichen Landschaft mit Glück bei einem von Büschen und Schilf umgebenen, kleinen Rinnsal an Position Nord 44° 56' 44.9“ und Ost 45° 6' 46.1“. Das Gequake der Frösche und das Geräusch unserer Wasserpumpe werden unsere nächtlichen Begleiter sein.

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