Reisebericht

Tagesbericht vom 05.07.2004

Zum Frühstück gibt es ausnahmsweise Spiegeleier. Wofür denn sonst haben wir in Aktöbe die Eier eingekauft? Ein Ei ist sowieso bereits in Brüche gegangen. Kein Wunder, bei diesen Strassenverhältnissen.
Mein Problem des heutigen Berichtes besteht nicht darin, wie ich mich kurz genug fassen, sondern wie ich die Ereignisse dramatisch genug beschreiben kann. Bevor ich zu den eigentlichen Ereignissen komme, muss ich nochmals die Strassenverhältnisse beschreiben. Über viel anderes gibt es auf dieser Strecke auch nicht zu berichten. (Wir bewegen uns in der fast immer gleich aussehenden, mehr oder weniger flachen Steppenlandschaft; die kaum besiedelt ist.)
Die M-32, auf der wir fahren, gilt als Hauptstrasse und ist die einzige, direkte Strassenverbindung zwischen Oral, Aktöbe, Aralsk und Shymkent. Teilweise ist die Strasse im Bau und man darf nicht auf dem neuen oder provisorischen Belag fahren.

Teilweise dürfte man zwar auf der Strasse fahren. Aber der Belag ist derart schlecht, das heisst mit tiefen, grossen Löchern versehen, dass die Auto- und Lastwagenfahrer lieber links und rechts der eigentlichen Strasse ihren Weg suchen. So haben sich mit der Zeit verschiedene Fahrspuren im Sand herausgebildet. Aber auch diese Wege haben ihre Tücken. Der Untergrund ist manchmal matschig. Hie und da muss man auch durch grosse Pfützen fahren, die eher kleinen Seen gleichen als Wasserlachen.
Es ist Bobos Fahrtag. Unbeschwert gondeln wir los. Langsam aber sicher. Andere Verkehrsteilnehmer gibt es nur sehr wenige. Wenn wir nicht wissen, welchen Weg wir einschlagen sollen, ob wir den Morast vor uns besser rechts oder links umfahren sollen, halten wir kurz Kriegsrat, oder wir klären die Situation zu Fuss ab.

Vor uns sitzt ein Lastwagen im Dreck fest. Kaum zu glauben. Wie kann das nur geschehen? Und schon sitzt auch Sir James fest. Sein Bauch liegt auf. Die Räder drehen durch. Was nun? Ein PW überholt uns. Er hat den besseren Weg gewählt. Die Leute, sie sind aus Kirgistan, steigen aus und versuchen uns zu helfen. Zuerst versuchen wir Sir James mit den Schaufeln frei zu buddeln. Aber der Boden ist lehmig und kaum wegzubringen. Zudem kommen wir mit den Schaufeln nicht an die Stelle, wo Sir James festsitzt. Dann nehmen wir die Sandbleche zu Hilfe. Ein junger Mann kommt zu Fuss daher. Auf russisch versucht er uns Ratschläge zu erteilen. Wir merken bald, dass er nichts von der Situation versteht. – Da – welch ein Glück, eine Strassenbaumaschine erscheint. Wir merken, dass dieser Trax dem Lastwagen zu Hilfe kommt. Wir geben Zeichen, damit er auch uns helfen komme. Und tatsächlich, ohne Mühe zieht er uns aus dem Schlamassel. Vielen Dank!

Dafür haben wir jetzt einen Fahrgast. Der junge Mann gibt an Medizinstudent zu sein und per Autostopp von Moskau her nach Aralsk unterwegs zu sein. Ich bringe es nicht über mich, ihn hier im Nowhere in der brütenden Sonne stehen zu lassen und wir nehmen ihn mit. Die Holperfahrt geht weiter. Sir James erleidet unheimliche Schläge. Den jungen Mann, der hinten auf dem Boden sitzt schleudert es beinahe zur Dachluke hinaus. Die wenigen Gegenstände, die wir im Sir James nicht befestigt haben, fliegen im Innenraum herum.
Irgendwann schleppen wir ein rotes Auto ein paar hundert Meter ab. Das Auto ist gestrandet und einige Personen wollen es an einer günstigen Stelle in einen Lastwagen verfrachten. Ein anderes Auto, das im Dreck steckt zieht Sir James ohne Mühe wieder an Land.
Etwa nach ein weiteren Stunde Fahrt erklären wir unserem Mitfahrer bei einer kleinen Siedlung, auszusteigen. Er ist nicht begeistert. Aber wir wollen nicht mit ihm übernachten. Kurz entschlossen öffne ich die Hintertür und widerwillig steigt er aus. Das Wort ‚Danke' scheint er nicht zu kennen. Wir sind froh, so gehandelt zu haben.

Weiter geht die langsame Fahrt. Vergeblich halten wir Ausschau nach ein paar Bäumen, um unser Nachtlager aufzuschlagen. Nicht einmal Bäume gibt es in dieser trostlosen, einsamen Gegend. Nach einigem Suchen finden wir unweit der Strasse ein Plätzchen, das uns zusagt. (Position Nord 48° 37' 0“ und Ost 59° 31' 52.9“)
Bobo bereitet aus einem Teil des in Aktöbe gekauften Fleisches Plätzchen zu. Das Filetstück kann er leider nicht verwenden. Es ist tiefgefroren. Bobo hat heute morgen den Eisschrank auf Stufe 3 gestellt. Das war anscheinende zu tief. Macht nichts. Das Essen war super.

Top