Reisebericht

Tagesbericht vom 04.08.2004

Wir haben den Mücken ein Schnippchen geschlagen. Bobo spritzte gestern Abend Sir James noch vom Dach bis zu den Rädern mit Antiviecherspray ein. Zudem verliessen wir unser mobiles Heim nur, wenn es unvermeidbar war. Daher können wir unsere Fahrt heute ohne neue Mückenstiche fortsetzen. Bobo kommt mit Sir James nicht richtig in Schwung. Der Schotterbelag auf der Strasse lässt kein schnelles Fahren zu.

Nach achtzig Kilometern entlang ausgedehntem Sumpfgebiet kommt Freude auf. Sir James spürt Teer unter seinen Rädern. Was steht da auf einer Tafel kurz vor Svobodnyi? Kosmodrom! Das Gebiet links der Strasse ist abgesperrt. In keinem unserer Reiseführer ist ein Kosmodrom in dieser Gegend erwähnt. Was die Russen hier wohl machen? Oder handelt es sich um eine Ausbildungsstätte? Vielleicht schauen wir uns das auf der Rückfahrt genauer an. Sogar unsere Natels empfangen seit Tagen wieder ein Signal. Ein Zeichen dafür, dass wir wieder in zivilisiertere Gegend vorgestossen sind. Und wo die Zivilisation ist, gibt es in Russland auch wieder Polizeiposten. Übrigens der erste seit Tschita. Der Polizist nimmt unsere Pässe und die Bescheinigung für Sir James und verschwindet im Polizeiauto. Wir sehen, dass er telefoniert. Dann kommt er mit dem Chef, gibt uns die Ausweise zurück und sie fangen an auf uns einzureden. Wir verstehen kaum etwas. Wir müssen ihnen unsere Reiseroute erklären. Sie fragen, ob wir mit einer Gruppe unterwegs seien, oder ob wir nur zu Zweit reisen. Wir antworten wahrheitsgetreu. Sie machen uns verständlich, dass sie uns die nächsten dreissig Kilometer vorfahren werden. Wir sollen dem Polizeiauto folgen. Ich frage: „Warum?“ „Einfach so“ ist die Antwort. Uns ist die ganze Sache nicht geheuer. Aber was bleibt uns anderes übrig, als dem Polizeiwagen zu folgen.

Ich sitze wie auf Nadeln, bin nervös. Wenn das nur keine Falle ist. Oder wollen sie am Schluss Geld, weil sie uns den Weg gezeigt haben? Nichts werden wir bezahlen. Was meinen die denn. Wir hätten den Weg von der Schweiz bis hierher nicht auch selbst gefunden? Fragen über Fragen. Bobo nimmt das Ganze gelassener. „Wir werden schon sehen, was das soll,“ meint er. Zwei- drei Mal zweigen wir rechts ab, immer den Wegweisern ‚Khabarovsk' folgend. So wären wir auch ohne Geleit gefahren. Nach einer Kurve sind wir wieder auf der geteerten Neubaustrecke. Die Polizisten steigen aus ihrem Auto, kommen zu uns und wünschen uns eine gute Weiterfahrt! – Wir sind sprachlos. Sind das nun die neuen russischen Polizisten? Dein Freund und Helfer? Bobo findet eine andere Erklärung: Vielleicht haben sie unsere Visa samt Reiseroute in Moskau überprüfen lassen. Und da die Antwort aus Moskau nicht so schnell eintraf, haben sie die Zeit mit dieser kurzen Fahrt überbrückt. Schade, dass wir nie erfahren werden, was der wahre Grund für diese Episode war. Wenn nur meine Russischkenntnisse besser wären!
Bobo geniesst zusammen mit Sir James den einwandfrei geteerten Strassenbelag. Wir flitzen nur so dahin. Nur dank einer Vollbremsung übersteht Sir James den Übergang zum Schotterbelag. Dafür ist der Sprung in der Scheibe wieder dreissig Zentimeter länger. Wegen dem abrupten Bremsmanöver kippt der Bildschirm vorne zwischen Fahrer und Beifahrerin nach vorne und gibt dem Sprung einen Schupps.
An einigen Stellen sind die Strassenränder des neuen Strassentrassees unterspült und abgesoffen. Die riesigen Löcher sind mit kleinen Ästen gekennzeichnet. In der Nacht sind diese bestimmt super zu erkennen. Damit wir nicht in der Nacht fahren müssen und in die Löcher fallen, ruhen wir uns jetzt an Position ... aus. – Habe ich gemeint. Ausnahmsweise habe ich den Bericht, wie es Bobo oft macht, während der Fahrt geschrieben. Und da wir bereits Ausschau nach einem Schlafplatz hielten, habe ich den Text so beenden wollen. Aber wir finden wieder einmal nicht so schnell einen Platz, der uns beiden genehm ist. So fährt Bobo weiter. Die Strasse wird wieder besser. Vor der Brücke, die zur Überquerung des Bureja dient, stossen wir auf ein grosses Monument. In riesigen Lettern steht geschrieben: „Moskau – Wladivostock“ in kyrillischer Schrift natürlich. Das gibt eine extra Fotosession. Im Notfall werden wir zu Hause aus dieser Foto einen Sticker anfertigen und Sir James aufkleben.

Bald danach gibt es wieder einen langen Baustellenbereich. Der Schotterbelag ist erneut die Fahrunterlage. Und – puff – die Luft ist aus dem Reifen. Ein Nagel hat sich in den Reifen von Sir James gebohrt. Das Pneuwechseln geht rasch über die Bühne. Darin haben wir unterdessen Übung. Gegen 20:00 Uhr finden wir endlich auf einem ehemaligen Kiesabbauplatz an Position Nord 49° 26' 44“ und Ost 130° 10' 53.5“ unseren Campingplatz.

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