Reisebericht

Tagesbericht vom 30.03.2002

Heute weckt uns die Sonne. Es ist bereits 7:30 Uhr Lokalzeit. Nach einer sternenklaren Vollmondnacht und dem Rauschen des Wassers neben dem nahen Stauwehr, haben wir tief geschlafen. Nach einem kurzen Morgenessen, fahren wir in die nahe Stadt, Keetmanshoop. Wir müssen uns für die Ostertage noch mit Frischwaren versorgen. Sir James benötigt frisches Dieselöl und für alle Zwecke sollten wir ein paar Namibische Dollars kaufen.
Keetmanshoop ist nicht viel grösser als Uzwil, verfügt über ein paar Einkaufszentren und alle wichtigen Banken sind vertreten. Die ‚First National Bank' wirkt wie belagert; eine riesige Menschenansammlung wartet vor dem Geldautomaten. Natürlich, es ist Ende Monat und die Osterntage stehen bevor. Wir parken Sir James vor der Bank und gehen hinein. Der Schaltersaal ist vollgestopft mit Menschen. Nach ¾ Stunden ist es dann so weit, wir haben unser Geld. Damit wir den aktuellen Wechselkurs zum Schweizerfranken erfahren, braucht das Fräulein ein paar Minuten an ihrem Computer (solch ausgefallene Wünsche!). Da die Währungen in den Südafrikanischen Nationen Schwindsucht haben, kommen wir wahrscheinlich 10% günstiger weg, als wir bis jetzt gerechnet haben. Wir fahren vor den ‚Spar'. Dasselbe Bild, wie vor der Bank – viele herumstehende Leute. Frischfleisch ist ausverkauft. Zum Glück hat es in unseren Kühlschränken noch ein Kilo Rindsfilet aus Südafrika. Sir James erhält für 500 Namibische Dollars 138 Liter Dieselöl.
Heute wollen wir wiedereinmal ans Meer, nach Lüderitz. Hoffentlich sind nicht alle Hummer bereits gegessen, wenn wir dort ankommen. Die Reise führt über Seeheim, Simplon (hier kein Pass) vorerst nach Bethanien, wo wir das ältestes Haus Namibias anschauen gehen.

Im Gästebuch des Schmelenhauses sind wir als ‚Liseli und Bobo aus Oberuzwil' eingetragen. Leider sind wir nicht die ersten, die sich heute eintragen. Irgendein Braunschweiger war vor uns da. Liseli studiert die Geschichte des drei Seelen Ortes ‚Bethanien'. Zumindest hat es drei Kirchen, die des ersten Missionars ‚Schmelen' steht neben dem 161-zig jährigen ‚Schmelenhaus'; die zwei anderen sind neueren Datums.

Die Gegend und die Strassen in Namibia sind wirklich sehr interessant. Die Welt scheint noch nicht fertig gestaltet zu sein. Alles ist topfeben und doch geht es immer ein bisschen auf und ab. Im Tal hat es immer einen Fluss, welcher jedoch kein eigentliches Flussbett hat, sondern rein zufällig beim letzten Regenschauer dort durchfloss. Mit dem Auto durchquert man dieses ehemalige Nass, das manchmal mit einem uns unbekannten Signal mit der Bedeutung ‚Achtung Fluss' signalisiert ist. Dazwischen hat es wie in den Alpen Viehschwellen in der Strasse, um zu verhindern, dass die wahnsinnig vielen Kühe von einem Gebiet ins andere wechseln (die Kühe, die wir gesehen haben, sind auf den 1000 Kilometern Namibia noch an einer Hand abzählbar). Alles ist Steinboden mit ein paar Grassbüscheln überwachsen, ein paar niedrige Büsche, ab und zu ein Baum. Eine Strasse durch die Gegend; endlos gerade, gesäumt links und rechts durch einen Viehhag. Parallel zur Strasse die Telefonleitung und teilweise die Hochspannungsleitung oder die Eisenbahngeleise. Jetzt fahren wir nach ‚Aus', eine Ortschaft in dieser unendlich scheinenden Stein-, Busch- und Graswüste. Irgendwie erinnert mich die Landschaft an die Zeichnungen und Geschichten von ‚Lucky Luke'. Liseli misst: erste Kurve nach 12 Kilometern. Wieso überhaupt eine Kurve kommt, weiss kein Mensch, zu umfahren gibt es nichts (oder zumindest können wir nichts feststellen).
An der Strecke nach ‚Aus' liegt ‚Küblis', oh, Entschuldigung: Kuibis. Die Deutschen hatten den Namen wahrscheinlich nicht ganz richtig in Erinnerung. Und was ist das: es tropft. Tatsächlich über uns hat es eine Wolke am blauen Himmel. Ich hab ganz vergessen: es ist ja Herbst und Regenzeit.
Das Örtchen ‚Aus' befindet sich auf einer Höhe von 1488 Metern über Meer, besteht aus einem Bahnhof (das Geleise existiert noch, der letzte Zug dürfte bereits vor vielen Jahren hier abgefahren sein), einem Bahnhofhotel, einem Einkaufszentrum, einer Tankstelle, einer Kirche und etwa 20 Villen. Ah, die Polizeistation habe ich noch vergessen. Hinter ‚Aus' kommt die Wüste, die Sandwüste, deshalb heisst es hier wahrscheinlich ‚aus'.
Aus einer Höhe von fast 1400 Meter sehen wir auf den endlosen Sand hinunter (ohne Strauch, ohne Busch und ohne Baum). Ab und zu eine Felspyramide, die aus dem Sand ragt. Eine Warnung vor ‚Wilden Pferde' und ‚Springböcken' ist am Strassenrand signalisiert. Diese öde Wüste soll Millionen wert sein. Gemäss Reiseführer und Signalisation ist das verlassen der Autostrasse verboten. Wieso? Die Wüste links von der Strasse ist als Diamantenfeld (Diamond Area) ausgegrenzt und rechts von der Strasse als Naturpark (Namib Naukluft Park). Die Strasse durch die Wüste ist mehr als 120 Kilometer lang und sehr kurvenreich!!!. Irgendjemand nimmt sich sogar die Mühe das herumliegende Alteisen (sprich: Schienen und Schwellen) einzusammeln, so dass es zukünftig nur noch die Strasse und die Telefonstangen durch die Wüste gibt. An den letzteren hängt heute nur noch ein einsamer Draht. Im Zeitalter der Funktelefone können die Stunden der Telefonstangen auch gezählt werden.
Mich würde noch Wunder nehmen, wie in Tausend Jahren die Geschichtsschreiber den schmalen, geraden Kiesweg interpretieren, an dem alle 50 Kilometer die Ruinen von Häusern stehen. Bei diesen Häuserresten ist der Kiesweg meist zweispurig. Zudem stehen am Weg die Reste von runden, gefässartigen Gebilden.

Der Sand verschwindet langsam. Es wird felsig. Es ist wie auf dem Mond. Wir sind in Lüderitz. An der Position Süd 26° 38' 3“ und Ost 15° 9' 9.7“ steht Sir James still. Er geniesst von der Küste her die Aussicht auf das Meer. Und wer besucht uns an diesem einsamen Ort: unsere Campingfreunde aus Johannesburg, sie sind auch da. Wohnen aber für diesmal auf einem Campingplatz in der Stadt. Ihnen hat es zu viel Wind an der Küste. Unser Reiseführer auf CD-ROM meint: Der kalte Benguela-Strom hält das Küstengebiet der Wüste Namib kühl und beinahe niederschlagsfrei.
Im Restaurant ‚Kapps Hotel' gibt es Austern, Gulaschsuppe und Sole mit Bier. Gute Nacht allerseits.

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