Reisebericht

Tagesbericht vom 02.11.2010

... und da sitzen wir nun: unter dem Garagendach, geschützt vor der Sonne und warten.

Sir James ist halb nackt. Die Kühlerhaube ist abmontiert. Als Zweites wird die Antriebswelle ausgebaut, danach folgen das Getriebe, selbstverständlich samt Kupplung! Alles liegt neben Sir James am Boden. Die Auslegeordnung ist für mich ein Lehrstück. So verstehe ich ein bisschen, wie Sir James Fortbewegung überhaupt ermöglicht wird. Allerdings könnte ich auf diese Lektion verzichten!

Aber so ist es jetzt eben. Ich ärgere mich lediglich, dass ausgerechnet mir gestern dieser kleine Fahrfehler unterlaufen ist. Aber Bobo meint, er hätte schon seit längerem bemerkt, dass bei Sir James nicht alles stimme.
Wir sind früh aufgestanden. Es wird erst langsam hell. Nebel liegt über dem Dorf.

Um 06:30 kommt unser Übersetzungshelfer auf seinem Motorrad vom benachbarten Dorf. Er schaut, ob bei uns alles in Ordnung ist. Er gibt uns seine Natelnummer, falls wir seine Dienste bräuchten. Kurz danach beginnt ein Mechaniker an Sir James herumzuwerkeln. Eine Hebebühne gibt es hier nicht.
Es ist ein Kommen und Gehen bei dieser Garage. Die Mechaniker flicken Pneus von allen möglichen Gefährten. Ölwechesl an Motorrädern und sonstige kleinere Reparaturen werden sofort erledigt.
Sir James Kupplung muss ersetzt werden. Der Garagenbesitzer fährt mit dem defekten Teil auf dem Motorrad weg – wir warten.
Wir dürfen den Elektroanschluss für den Labtop und, was noch wichtiger ist, die Toilette im Garagenhaus benutzen. Das gibt mir die Gelegenheit, so ein Wohnhaus genauer anzusehen. Im der Strasse zugewandten Teil ist der Verkaufsstand und das Lager. Dieser Raum dient zugleich als Wohnzimmer für die Familie. Durch eine Tür geht es seitlich ins Schlafgemach der Besitzer.

Hinter diesem Allzweckraum ist die Küche. Sie ist gross, doch kaum eingerichtet. Es gibt einen Kühlschrank und eine zweiflammige Gaskochstelle. Töpfe und andere Utensilien sind auf einem Gestell. Verschiedenes liegt einfach herum. Seitlich führt eine Tür in das ebenfalls grosszügige „Badezimmer“: Stehtoilette, Wasserreservoir mit Kelle zur Spühlung, Duschschlauch mit Brause und eine Waschmaschine der Marke Sharp. Dieses Badezimmer gleicht demjenigen vom Hotel, in welchem wir vorgestern übernachtet haben, nur eben grösser. Das Badezimmer ist als einziger Raum mit Bodenfliesen versehen.
13.30 Uhr: der Chef kommt zurück mit einer neuen Kupplung. Vermutlich, so hat uns der Übersetzer zumindest heute morgen gesagt, hat er dieses Ersatzteil in Thailand beschafft. Thailand ist nur ein Katzensprung über den Mekong von hier entfernt. Sei es wie es sei, die neue Kupplung ist da. Ich als „Nicht-Mechaniker“ kann keinen Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Teil erkennen. Aber der Chef weiss sicher, was er macht. - Er macht erst einmal Mittagspause. Danach geht es ans Einbauen des ausgebauten Getriebes, kein leichtes Unterfangen ohne Hebekran und andere spezielle Hilfsmittel. Sogar unsere beiden kleinen Wagenheber dienen zur Unterstützung. Das Ganze ist ein „Gemorchse“, wie wir auf Schweizerdeutsch sagen. Zeitweise liegen drei Mechaniker unter Sir James. Ein vierter bedient den grossen Wagenheber. Es dauert und dauert ... Bobo und ich vertiefen uns im Reiseführer über Laos. Ich lese zudem im Buch, welches mir Susanna als eines ihrer Lieblingsbücher ausgeliehen hat. Um 17:45 Uhr scheint bei Sir James alles wieder an Ort und Stelle zu sein so wie es sich gehört. Die Spannung steigt, bei den Arbeitern, aber auch bei uns. Der Chef setzt sich hinter das Steuer von Sir James und startet den Motor, drückt die Kupplung, und ... alles ist gleich wie vor der ganzen Ein- und Ausbauübung. Der Chef und wir alle sind enttäuscht. Ein inzwischen dazugestossener Mechaniker entdeckt, dass Sir James kein Hydrauliköl mehr hat. Ah, das wird es sein, denken wir alle. Das Öl wird nachgefüllt, der Motor gestartet ... alles ist beim Alten. Sir James will einfach nicht. Unterdessen ist es stockdunkel. Wir werden auf morgen vertröstet.
Wir sind froh, haben wir in Huay Xai noch unsere Vorräte aufgestockt. Dank der fünf Liter Weinbox, die wir dort gekauft haben, haben wir auch genug zu trinken an Bord. Unangenehm ist für Bobo einzig, dass Sir James aufwärts steht und wir folgedessen beim Schlafen den Kopf tiefer haben als die Füsse. Mich stört das nicht weiter. Im übrigen nehmen wir es bis jetzt gelassen. Wir können an der Situation im Moment sowieso nichts ändern. Morgen ist ein neuer Tag. Darüber wird dann Bobo berichten.

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