Reisebericht

Tagesbericht vom 23.06.2010

Die „Kälte“, es ist 14° Celsius bei leicht bedecktem Himmel, setzt uns immer noch zu. Aber hart wie wir sind, frühstücken wir dennoch im Freien. Die mitgenommenen Pullover müssen schliesslich auch gebraucht werden. Wir beobachten Ameisen, wie sie versuchen eine zerstückelte Heuschrecke in ihren Bau zu bringen. Was für eine Anstrengung in diesem von Grün überwucherten Boden! Wenn alles planmässig verläuft werden wir heute Abend in einem Hotel in Astana, der Hauptstadt von Kazakhstan, übernachten. Ich richte frische Kleider her, und packe alles, was wir für eine Hotelübernachtung brauchen in eine Tasche. Den Whisky werde ich erst beim Hotel in die Tasche geben. So bleibt er im Eisschrank noch schön kühl. Den Einkaufszettel (Wunschzettel) habe ich bereits geschrieben. Darauf stehen auch nicht so alltägliche Dinge wie Knopfbatterie CR 1632 für den Tire-Moni (Pneuüberwachungsgerät), Batterie für den HP Labtop, Reinbenzin für die Kocher. Ich bin gespannt, ob wir all dies in Astana finden werden.
Im kleinen Dorf Osakrovka entdeckt Bobo neben der Strasse eine Wasserpumpe. Super. Hier können wir Sir James wieder mit Frischwasser versorgen. Denkste. Kein Tropfen kommt aus dem Rohr.Ich frage eine Frau, wo es Wasser gäbe. Sie deutet ans Ende dieser Nebenstrasse. Und tatsächlich stossen wir auf einen in den Boden eingelassenes mit Holz fast vollständig zugedeckten Zementschacht (7 Meter tief in den Boden eingelassen, wie mir ein Mann erklärt). Ein Schlauch mit einem Regulierungshebel ragt aus dem Schacht heraus. Das ist der Brunnen, an welchem sich die Dorfbevölkerung mit Wasser versorgt. Wir sind happy.

Auf der anderen Strassenseite sind zwei Arbeiter dabei, Schutt von Gebäuden mit einem Schaufelbagger auf einen Lastwagen zu hieven. Es wird aufgeräumt. Das ist auch der Eindruck, den wir in diesem Dorf gewinnen. Altes wird abgebrochen oder renoviert. Neues entsteht. Die meisten Dorfbewohner leben noch wie zu Zeiten der Sowjetunion: in ihren blau verzierten, weissen, kleinen Holzhäusern mit Gemüsegarten. Einzig die grossen Satellitenschüsseln scheinen neu hinzu gekommen zu sein. Manchmal steht auch ein neueres Auto, oder sogar ein Bus (!) in der Einfahrt.

Gut gelaunt geht die Fahrt Astana zu. Wieder eine Polizeikontrolle. Natürlich werden wir angehalten und müssen die Pässe zeigen. Der Polizist verschwindet und kommt nach einer Weile zurück. Er gibt uns zu verstehen, dass wir bereits über fünf Tage hier (in Kazakhstan? In Astana?) seien, ohne uns registriert zu haben. Der entsprechende Stempel auf dem Migrationspapier fehle. Er müsse einen Rapport schreiben. Nun muss man wissen, dass „Rapport“ immer auch „Busse“ bedeutet. Wir sind nicht bereit, eine Busse zu bezahlen, haben wir uns doch absolut korrekt verhalten. Bei unserem ersten Hotelaufenthalt in Kazakhstan, in Aktöbe, wollten wir uns registrieren lassen. Dort wurde uns jedoch mitgeteilt, dies sei nicht nötig. Es gibt ein Hin und Her. Danach bedeutet uns der Polizist, ihm zu folgen. Er hat immer noch unsere Pässe. Und ab geht es im kleinen Konvoi Richtung Astana: vor uns der Polizist in einem VW-Bus mit zwei Männern aus Kirgistan, die ebenfalls ein Problem haben. Dann Bobo und ich im Sir James und hinter uns der Bruder des Polizisten in einem Personenwagen, um den Polizisten nach – wir wissen nicht was – wieder zurück zu fahren. Nach 20 Minuten Fahrt wird angehalten. Alle Parkplätze sind besetzt. Der Polizist gibt uns zu verstehen, Sir James einfach so in der Strasse stehen zu lassen. (Foto ist aufgenommen, nach dem ganzen Prozedere. Alle anderen, geparkten Autos sind weg.)

Wie sich herausstellt sind wir bei der Migrationsbehörde von Astana. Erneut erklärt man uns, wir hätten es versäumt, uns innerhalb der verlangten fünf Tage zu registrieren. Dies sei nicht nur jetzt ein Problem, sondern werde auch Probleme geben bei der Ausreise aus Kazakhstan. Wir unsererseits erklären unseren Standpunkt. Uns wird bald klar, dass wir unbedingt diesen zweiten Stempel brauchen, um keine Probleme bei der Ausreise zu bekommen. Für ein Vergehen wie das unsere könnte es im schlimmsten Fall sogar eine Gefängnisstrafe geben. Wir lachen nur. Eine Polizistin in weisser Bluse spricht Englisch. Sie hilft uns weiter. Sie versteht unsere Situation. Wir müssten ein Formular in Russisch ausfüllen und zudem ein Gesuch in Russisch stellen, so dass man uns ohne „Straf“ diesen Stempel morgen geben könne. Da wir aber kein Russisch könnten, müssten wir einen Übersetzer auf unsere Kosten kommen und alles (was ,wissen wir selber nicht) ins Russische übersetzen lassen. „No way“, erklären wir. Erstens haben wir keine Fehler gemacht und sind daher nicht bereit etwas zu bezahlen, auch nicht für einen Übersetzer. Zweitens wollen wir morgen nach Russland fahren und uns nicht wieder mit der khazakischen Bürokratie herumschlagen. Die Polizistin in weisser Bluse erbarmt sich unser und stellt ihrerseits einen Polizisten in blauem Hemd an, der alle Formalitäten und Gesuche für uns in Russisch erledigt (in Handschrift, wohlgemerkt). Wir unterschreiben unzählige Zeilen, Formulare und Briefe, die wir selbstverständlich nicht verstehen. Danach müssen wir wieder warten … und warten … Endlich übergibt unsere Polizistin uns die Pässe und jedem von uns ein kleines Dokument. Damit sei alles erledigt, erklärt sie. „Und was ist nun mit dem immer noch fehlenden Stempel?“ fragen wir. Dieser Stempel sei nicht mehr nötig. Das kleine Dokument ersetzte den fehlenden Stempel! Da soll einer schlau werden. Wir glauben, die Behörden wissen selbst nicht, was die Regeln für Touristen aus fremden Ländern sind, die mit ihrem eigenen Fahrzeug unterwegs sind. Dafür wissen wir, was der Unterschied ist zwischen einer weisser Bluse (oder Hemd) und einem blauem Hemd. Diejenigen mit weissem Hemd können sprechen, diejenigen mit blauem Hemd können schreiben! Ha, ha … den Humor haben wir bei diesem dreistündigen Marathon nicht verloren. Wir erholen uns von den Strapazen im Hotel Grand Park Esil samt funktionierendem Wi-Fi! Im nahen Shoppingcenter nach westlichem Vorbild essen wir eine Pizza. Wir unterhalten uns darüber, wie gross die Kluft zwischen der Wirtschaft und einer Oberschicht und dem Staatsapparat und der Mehrheit der Bevölkerung ist. Fotos vom Hotel und der Umgebung gibt es morgen.

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