Reisebericht

Tagesbericht vom 31.01.2002

Sir James ist soeben einem Kollegen begegnet: ein Nissan 4x4 der Senelec (Senegalesische Elektrizitätswerke). Dies erinnert mich daran, dass Salematta eine hochmoderne Elektrizitätsversorgung aufweist. Unser Campement ist auch daran angeschlossen: um 22 Uhr wird der Strom abgestellt. Und - obwohl es keinen Verkehr gibt - verfügt der Ort über mehrere Beleuchtungskandelaber für die Strassenbeleuchtung. Ab 17 Uhr sind die Strassen der Stadt hell erleuchtet.
Seit sieben Uhr windet sich Sir James bereits wieder durch die engen, holprigen Pisten von Salematta nach Kedougou. Er fährt – wie gestern bereits - immer mit Geländeuntersetzung, so dass er die Kraft besser dosieren kann. Der erste, zweite und dritte Gang erweist sich als ideale Kombination dazu (maximal 25 km / Std). Sir James überlässt für heute einmal Liseli das Steuer, so dass sie sich auf Mali vorbereiten kann. Nach drei Stunden Fahrt haben wir bereits die Hälfte der rund 70 km langen Strecke zurückgelegt (Luftlinie)!
An der Position Nord 12° 30' 42“ und West 12° 23' 30“ zeigt uns unser Führer noch einen Marmorsteinbruch. Wir sehen drei Felsblöcke, die sich aus der Savanne erheben. Aus diesen Felsblöcken wird ab und zu eine Platte herausgeschnitten. Hier beginnt oder endet auch die Rodung für den vorgesehenen Strassenbau Kedougou – Salematta.

Jetzt sind wir an der Position Nord 12° 31' 1,6“, West 12° 22' 37,8“ in Ibel.
Aussteigen heisst es. Hier ist ein kleiner Ort mit einem Strassenladen. Liseli parkiert Sir James unter einem Baum. Wir gehen Einkaufen. Was? Bonbon, Nüsse, u.a.m.. Für uns? Nein, für einen Volksstamm, der da oben in den Felsen wohnt. Und jetzt heisst es marschieren .Der Aufstieg ist zu vergleichen mit demjenigen von Adliswil auf die Felsenegg. Der einzige Unterschied ist die Temperatur. 37° zeigt das Termometer unter dem Baum an. Unser Führer, der sich unterdessen verdreifacht hat, staunt über unsere Geländegängigkeit.

In 30 bis 40 Minuten haben wir es geschafft. Wir sind oben. Jetzt beginnt die Besichtigung. Ein Dorf mit einem Dorfältesten und weiteren 495 Seelen. Der Dorfälteste und Lehrer für die vielen Kinder erklärt uns, dass dieser Volksstamm vor vielen Jahren von den Guinesern als Sklavenstamm aus Mali deportiert wurde. Insgesamt gibt es 4 Familien, die hier in 7 Dörfern in der weiteren Umgebung hausen! Das Dorf, das wir besuchen ist mit 496 Seelen das kleinste. Hier scheint die Zeit wirklich stehen geblieben zu sein. Nicht mal die Senegalesische Regierung unterstützt diesen Volksstamm, dafür die katholische Mission in Kedougou. Sie haben sich deshalb selbst organisiert. Jede der 4 Familien hat ihre Aufgabe. Per Laufbote werden die Neuigkeiten ausgetauscht. Und was ist das besondere an diesem Volksstamm? Ihre Lippen sind mit einem Holzstamm durchstossen (wenigstens auf den Fotos, wir haben nur Fonduestäbchen gesehen). Die Haare sind wunderbar geflochten und mit farbigen Ornamenten versehen. Das gilt für die Frauen und Mädchen. Die Männer sind ganz normal. Auf jeden Fall haben wir nur dekorierte Frauen und Mädchen gesehen. Einige Mädchen haben sogar ihre Ohren im Abstand von ca. 3 bis 5 mm mit Zahnstocherartigen Stäbchen durchstossen. Ca. 10 bis 20 solche Dinger. Ob von hier das Piercing kommt?

Dankend verlassen wir das Dorf und machen uns an den Abstieg. Oh, der arme Sir James. Das gesamte Dorf ist unterdessen eingetroffen, um unser Prachtsauto zu bestaunen. Und als ich erst noch den Computer anschalte, um unsere Position ausfindig zu machen, grenzt das schon fast ans unglaubliche. Für diese Menschen sind wir Multimillionäre (was auch stimmt bei diesem Wechselkurs (1 CHF = 451 CFA)). Wir sehen natürlich auch aus, wie Indiana Jones auf dem Ritt durch den Dschungel, mit Kakihose und –hemd, hohen Safaristiefeln und Lederhut.
Les Cascades heisst unser neues Etappenziel. Der Weg dorthin ist nicht mehr auf unserer Russischen Karte aufgezeichnet. Oder anders gesagt: Ich kann das Ziel auf der Russischen Karte ausmachen. Es führt auch ein Weg dorthin. Wir fahren jedoch Dank unserem Führer querfeldein, direkt auf das Ziel zu. Es geht jetzt deshalb viel schneller vorwärts! An der Position Nord 12° 23' 2,1“ und West 12° 19' 14,5“ machen wir Halt. Es ist jetzt 16:00 Lokalzeit. Es beginnt ein Fusspfad, der an einer Busshaltestelle vorbei, durch ein Bauerndorf und das Campement des Cascade zum Wasserfall führt. Ein Zufluss des Gambia, welcher aus ca. 80 bis 90 m Höhe senkrecht in die Tiefe stürzt, um nachträglich langsam zu verschwinden. Die Gesteinsschichten verlaufen waagrecht. Wahrscheinlich ist dies die natürliche Grenze zur Savanne des Gambia Flusses, in der wir stehen. Auf der Höhe, von wo das Wasser kommt, befindet sich ca. 10 km entfernt die Grenze zu Guinea. In Guinea befindet sich auch die Quelle das Gambia.

Es ist wunderbar kühl in diesem Talkessel. Der See ladet zum Bade. Doch wir verzichten darauf. Wir waschen unsere Hände und Arme und kühlen uns ab. Nach einer halben Stunde sind wir wieder frisch, so dass wir den Rückweg antreten. Wir müssen uns beeilen, sonst ereichen wir Kedougou nie, welches zwar nur noch 27 km von uns entfernt ist (Luftlinie). Es ist jetzt bereits 17:30, d.h. um 20:00 sind wir etwa in Kedougou. Das GPS zeigt zur Zeit eine Geschwindigkeit von weniger als 10 km / Std. an. Die spanischen Velofahrer, die wir am Wasserfall getroffen haben, überholen uns.
Punkt 20:00 sind wir in Kedougou im Campement Dioulaba, an der Position Nord 12° 33' 38,9“ West 12° 10' 37, 4“. Wir schauen uns wiedereinmal die Bungalows an. Hier hat es warmes Wasser. Eine Dusche nach diesen Strapazen wäre doch ganz angenehm. Ob wir im Bungalow oder doch wieder im Sir James übernachten, wissen wir noch nicht. Auch in diesem Bungalow ist der Geruch nicht über alle Zweifel erhaben. Aber ich habe keine Geduld, lange zu überlegen. Zuerst muss jetzt unser Durst gestillt werden. Ein anderer Geruch, derjenige vom abgebranntem Gras, verfolgt uns zudem schon in ganz Senegal. Es ist hier anscheinend üblich, das trockene Gras abzubrennen. Den Grund verstehen wir nicht ganz, zumindest leuchtet er uns nicht ein. Was wir verstehen ist, dass dies seit Generationen so gemacht wird, und was seit langer Zeit gemacht wird ist anscheinend auch richtig. Der Geruch durchdringt alles; die Kleider, die Haut, das Essen, alles riecht nach verbranntem Gras und verbrannter Erde.
Zum Nachtessen gibt es ein wildes Huhn. Also irgend etwas, das kein Haustier ist, hier gejagt wird, so gross ist, wie ein Mistkratzerli und nicht schlecht mundet. Der Gastwirt ist ein Franzose, die Wirtin eine braune, nicht tiefschwarze Senegalesin, die Gäste Jäger aus Belgien und Frankreich. Die Jäger geben uns – als sie hören, dass wir weiter nach Südafrika wollen – sofort die Adressen einiger Lodges in Namibia, Südafrika und Zimbabwe.

Wir verabschieden unseren Guide, der uns die letzten 4 Tage durch Senegal geführt hat. Aufgrund der Erfahrung mit den Guides hier in Senegal und in Mauretanien, kann ich nur eines sagen: es lohnt sich einen Guide (einen offiziellen und nicht einen selbsternannten) zu nehmen. Die knapp 15 CHF, die ein Guide pro Tag verdient, sind nicht falsch investiert. Wenn wir ohne Guide gefahren wären, hätten wir die Hauptstrasse genommen und nichts erlebt.
Randbemerkung: Der Bericht des heutigen Tages ist so ausführlich, da Bobo während ich Sir James im Schritttempo über die Löcher der Piste lenkte, immer am Tagebucheintrag geschrieben hat. Sehr fleissig! Dafür muss er jetzt auch nicht kochen.

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