Reisebericht

Tagesbericht vom 02.02.2002

An der Position Nord 12° 55' 13,3“ und West 11° 11' 24,2“ hat gestern Sir James etwas neben der Hauptstrasse angehalten. Nach einer stürmischen Nacht (es windet draussen) gibt's Kaffee und Darwida. Sir James wird ein bisschen herausgeputzt. Es ist der klägliche Versuch, die Staubschichten der letzten Tage loszuwerden. Der Staub füllt sämtliche Ritzen und Fugen und bedeckt innen und aussen alles Millimeter hoch. Wir sehen einige Schwarze auf der Strasse, die mit Atemschutzmasken daher gehen. Auch unsere Atemwege spüren das Gemisch aus Staub, Sand und Asche (also auch in Mali wird die Erde abgebrannt). Der Wind wirbelt den Staub in die Luft und Sir James hinterlässt Meter hohe Staubwolken.
Und dann gibt es noch die linke Kühltruhe, die nicht mehr kühlt. Es liegt am verkürzten Anschlusskabel. Das Kabel hat sich aus der Klemme gelöst. Zu Hause hab ich schon gedacht, dass dies eine Stein des Anstosses werden könnte. Und wer nicht sauber arbeitet, bekommt es zu spüren. Dies gilt bei diesem ewigen Geholper ganz besonders. Aber der Elektriker an Bord kann den Schaden schnell beheben.
Um 13:00 durchqueren wir das Dorf Sanboula (Nord 13° 18' 27,4“ und West 11° 4' 50“). Da wir den Berg runter fahren, sieht uns die Dorfbevölkerung von weitem. Das ganze Dorf besammelt sich. Sie winken uns zu und stehen Spalier, als wir bei ihnen sind. Am einzigen Gebäude, welches kein mit Stroh bedecktes Rundhaus ist, steht „Ecole Elementaire“. Am PC läuft gerade Orff's „Carmina Burana“.

Langsam sind wir über dem Berg und kommen ins Tal des Bafing. Die anfängliche Steppenlandschaft mit vielen Felsbrocken, mannshohem Steppengras (manchmal abgebrannt), lockerem Baumbestand mit knorrigen Bäumen wechselt jetzt ab mit Sumpfgebieten. Die Strecke ist in der Michelin Karte grün eingezeichnet. Mir gefällt die Gegend, auch wenn ich nicht unbedingt hier wohnen möchte.
Nun habe ich das Steuer wieder Bobo überlassen. Fast 6 Stunden bin ich nun mit Sir James im Kriechgang über die teilweise felsige Piste gegondelt. (Im Reiseführer steht: „Gebirgspiste, schlechte Felspassagen“.) Auch wenn ich sehr viel Geduld habe – Geduld ist das Erste, was man in Afrika lernt – die extrem langsame und holprige Fahrt, die übrigens volle Konzentration erfordert („schau auf die Strasse, Liseli...“) nervt mich irgendwann einmal. Hie und da kommen uns Menschen entgegen, zu Fuss, auf oder neben dem Velo. Einzelne haben einen Transistorradio umgehängt. Es gibt auch solche, die schwer bepackt daherkommen. Wir haben den Eindruck, dass sie all ihre Habseligkeiten mittragen. Wir wundern uns, von wo die Menschen kommen und wohin sie wohl gehen in dieser verlassenen Gegend. Sicher sind sie ab und zu tagelang allein zu Fuss unterwegs.

Es ist wie verhext: kaum setzt sich Bobo ans Steuer, wird die Piste bedeutend besser. Zudem kann er zwischen verschiedenen parallel verlaufenden Pisten auswählen. Noch spannender wird die Fahrt allerdings auf den Nebenpisten, da bei diesen weder die Breite noch die Höhe für die Durchfahrt von Sir James garantiert ist. Öfters bange ich um unsere seitlich am Auto angebrachten Ersatzkanister und um unsere auf dem Dach montierten Kisten, inklusive die Kiste mit der Golfausrüstung. Auch der Wechsel von einer Nebenpiste (da eine Weiterfahrt nicht mehr möglich ist) auf die Hauptpiste gestaltet sich mitunter recht abenteuerlich. Die Reparatur vom Eisschrank ist doch nicht so gelungen, er kühlt schon wieder nicht mehr. Das gibt dem Driver die Möglichkeit, erneut sein Geschick als Elektriker unter Beweis zu stellen. Natürlich schafft er die Prüfung souverän und in kürzester Zeit. Kalte Getränke zum Abendessen stehen wieder in Aussicht. Die Frage ist nur wo. Im nächsten Dorf oder im freien Feld. Solange es noch hell ist, suchen wir uns einen Übernachtungsplatz in der Wildnis, abseits der Piste. Dies ist gar nicht so einfach, denn die Bewachsung ist ziemlich dicht. Zwar sehen wir immer wieder eine Baumlichtung, aber dorthin zu gelangen, gestaltet sich recht schwierig. Bobo nimmt mit Sir James Anlauf und fährt ein paar kleinere Bäume um. Geschafft! Doch da kommt wie aus dem Nichts ein Mann mit einer Sichel in der Hand auf uns zu und weist uns den Weg in Richtung Piste! Uns bleibt nichts anderes übrig als ein neues Plätzchen zu suchen. Kaum stehen wir still, kommt der „Buschmann“ schon wieder und weist uns den Weg. Wir bedeuten ihm, dass wir schon wissen, wo die Piste ist und bedanken uns. Er zieht beruhigt von dannen. Unsere Position: Nord 13° 44' 15.4'', West 10° 51' 58“.
Abschlussbemerkung von Bobo: „Der Vorteil eines Geländefahrzeuges besteht darin, dass man überall durchkommt, der Nachteil besteht darin, dass man überall dort durchfährt, wo man gar nicht fahren soll“ (beim letzten Manöver hat Sir James fast das vordere Kennzeichen verloren und das hintere Trittbrett hat sich verbogen, was aber vom Mechaniker an Bord mit dem Hammer wieder instand gestellt wird).
Weitere Anmerkung von Bobo: „Die Leute sind so freundlich und hilfsbereit, dass sie überall wo wir campen wollen, auf uns zu kommen und uns den Weg zur Piste weisen.“

Anmerkung der Schreibenden: Wie der Leser sicher merkt, haben wir den Kontakt zur übrigen Welt fast ganz verloren. Wir leben ganz im Hier und Jetzt. (Sollte man doch auch). Wir wissen überhaupt nicht, was Gutes, aber auch nicht, was Schlimmes, auf dieser Erde geschieht. Uns beschäftigt, wie man am besten von A nach B kommt, was es zu Essen gibt, ob wir ungestört schlafen können, wie wir gesund bleiben. So, oder zumindest ähnlich ergeht es hier wahrscheinlich der Mehrheit der Bevölkerung. Dies ist eine recht interessante Erfahrung.

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