Reisebericht

Tagesbericht vom 01.06.2002

Sauna. Was das ist? Ein Auto mit Hubdach in Indien auf dem Parkplatz eines ‚Autobahnrestaurant'. Der Regen fällt heute Nacht aus. Die Temperatur steigt. Es ist immer ein bisschen wärmer in Sir James, da er so viele wärmende Elemente hat, wie Heisswassertank, Kühlschrank, Wechselrichter, usw.. Dank dieser Wärme putzt es unsere Poren wieder einmal richtig durch. Zum Glück hat es immer noch genügend Wasser in den Wassertanks, so dass Liseli am Morgen sogar die Haare waschen kann. Die Moral von der Geschicht: ganz ohne Kühlung geht's in Indien nicht. Wenigstens vor dem Monsun.

Nach einem Tee / Kaffee mit Toast brechen wir auf. Naini Tal heisst immer noch unser Ziel. Es soll das ‚Zermatt' von Indien sein. Sagt man. Wir kurven die vielen Kehren nach Schweizer Stil aufwärts und sind bald auf 2000 Meter Höhe. Naini Tal ist erreicht. Ein See wie in Davos. Rund um den See herum eine Strasse. Die Sonnenseite der steilen Bergseite ist mit Hotels und Villen verbaut. Wir fahren noch ein bisschen den Berg hinauf. James ist im ersten Gang fast an der Grenze der Kletterfähigkeit, so steil ist die Strasse. Da steht doch so ein Idiot an der rechten Seite und will nicht weiterfahren. Ich muss an ihm vorbei. Und jetzt hat Sir James keinen Kanister mehr an seiner rechten Seite. Der andere hat keine Fenster mehr an der rechten Seite. Dumm, aber so ist es. 600 Rupien (20.00 CHF) will er. Die kriegt er auch und fährt ohne Fenster an seinem Lieferwagen zufrieden weiter.

Also die Engländer sollen in Naini Tal den Sommer verbracht haben. In Naini Tal ist es auf 2000 Meter über Meer angenehm kühl (ca. 22°). In den Reiseführern steht: Hauptsaison Mai / Juni. Hoffentlich finden wir ein Hotel! Aber die Engländer haben bereits vor 50 Jahren sich zurückzuziehen begonnen. Die Inder übernahmen die verlassenen Bauten. Die Amerikaner wurden wegen des Kaschmirkonflikts zurückgepfiffen, so blieben nur noch die Inder. Die Engländer, die in den Ferien sind, wurden ebenfalls wegen den Pakistani zurückgepfiffen, wie wir später erfahren. Es blieben die Inder! Die restliche Welt besucht die Fussballweltmeisterschaft und verliess deshalb auch Naini Tal. Es blieben nur noch die Inder und ... wir. Zur Zeit hat es so viele Inder hier, dass ich gar nicht weiss, wo die Ausländer Platz fänden, ausser in den Hotels. Denn die Hotels sind leer. Und so finden wir für den armen Sir James, der nur noch über das linke Ohr verfügt, auf Anhieb einen Platz an der Position Nord 29° 23' 38.8“ und Ost 79° 26' 52.9.
Kaum angekommen – es darf nicht wahr sein – fängt es an zu regnen. Endlich die Abkühlung, die wir gestern gebraucht hätten! Nach einer Stunde ist der Zauber vorbei und wir unternehmen zu Fuss einen Ausflug in Naini Tal. Wir wühlen uns durch die Rikschas, Fussgänger, Autos und engen Gassen hindurch. Von der frischen Luft, die wir in den Alpentälern geniessen, ist hier nichts zu spüren: die Abgase der verschiedenen Verkehrsteilnehmer, internationalen Küchen und einheimischen Kanalisationen sorgen für Kopfweh. Trotzdem kaufen wir Nüsse und Getränke ein, denn an diesem Ort scheint es ein viel grösseres Warenangebot zu geben, als im übrigen Indien. Nur die Internetkaffees fallen aus dem Rahmen: Es gibt zwar viele, aber kein einziges von den vier getesteten, erlaubt ein E-Mail mit Anhang (Reisebericht) über Yahoo unserem Webmaster Reto zu senden.

Über das Fernsehen vernehmen wir, dass die Engländer – nicht nur die Amerikaner - ihren Staatsangehörigen raten, Indien zu verlassen. Auch uns kann in Indien eigentlich nichts mehr halten, obwohl dieses Land sehr reich an interessanten Kulturstätten ist. Es geht uns ähnlich, wie Arturo ins Gästebuch unserer Hompage geschrieben hat: Indien liebt oder verabscheut man. Manchmal lieben wir dieses Land wirklich, aber öfter lieben wir es weniger. Ab und zu haben wir das Gefühl, dass kein Unterschied zwischen Mali und Indien besteht. Ab und zu haben wir das Gefühl, dass Indien ein moderner Staat ist. Ab und zu scheint die Uhr schlicht und einfach nicht zu ticken; die Zeit scheint seit Tausenden von Jahren stehen geblieben zu sein. Leider hat aber die Population so stark zugenommen, dass wenigstens in sanitarischer Hinsicht etwas geändert werden muss. Denn die Luft wird nicht unbedingt besser, wenn jeweils 100 Personen versuchen auf dem gleichen Quadratmeter Platz zu finden. Wir machen uns daher Gedanken, unseren Indienaufenthalt langsam aber sicher abzuschliessen (in Nordamerika wäre es doch zu dieser Jahreszeit sicher wesentlich schöner und angenehmer). In Madras, dem nächsten Hafen, könnten wir Sir James auf einen weiteren Kontinent verschiffen.

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